16-013: Nach der Fahrt

ist der Reiseleiter erst einmal unglaublich müde.

An der Grenze bei Kufstein war Horst Seehofers Begrüßungskommando aufmarschiert – die haben zwar kaum ein Auto kontrolliert, aber der Verkehr ging auf eine Spur herunter und die Grenze durfte dann nur im Schritttempo passiert werden – das gab schon mal eine halbe Stunde Wartezeit im Stau. Und zwischen Dreieck Inntal, München und Dreieck Holledau ging es nur im permanenten Stop-and-go voran, Bauarbeiten, stockender Verkehr, das dauerte.

Nun sitzt der Reiseleiter über eine Stunde später als geplant auf der Bank im Garten und würde am liebsten umfallen und kann doch noch nicht schlafen. Der Körper vibriert von wieder einmal fast 4000 Kilometern Beifahrersitz und im Kopf überschlagen sich die gesehenen Bilder.

Südfrankreich, nun schon zum vierten Mal als Reiseleiter und zuvor einige Male privat. Und trotzdem entdeckt man immer wieder Dinge neu.

Das Hotel war diesmal nicht in Avignon sondern in Arles. So konnte ich an einem Abend anbieten, noch den viertelstündigen Fußmarsch in die Innenstadt zu unternehmen und im Café la nuit einen Wein zu trinken. Jenes Café, das in der Version von Vincent van Gogh in geschätzt jeder dritten Gaststätte in Deutschland hängt.

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Das Café ist natürlich einer der Höheunkte auf dem Stadtrundgang am Vormittag gewesen, die gelbe Farbe wird auch regelmäßig erneuert, aber van Gogh hat es nun einmal bei Nacht gemalt, deshalb ist ein Besuch am Abend geradezu Pflicht. Arles ist durch van Gogh und durch zwei große römische Theater durchaus ein Touristenziel in der Provence – der Wein im Café ist preislich trotzdem vergleichsweise günstig. Nur die Sterne am Himmel konnte ich nicht bieten.

Das Licht der Provence habe ich vielleicht zum ersten Mal so intensiv wahrgenommen. Dieses Licht ist eher hart, es zeichnet nicht weich, verklärt nicht, sondern lässt die Farben in ihrer ganzen Wucht hervortreten. Ich kann verstehen, dass dieses Licht einen Maler wie van Gogh aus dem eher diesigen Holland, der bis dahin vorwiegend mit dunklen, gedeckten Farben gearbeitet hat, man denke an die Kartoffelesser, in Ekstase versetzte. Und später, wenn auch in Verbindung mit größeren Mengen an südfranzösischem Wein und vor allem Absinth, in den Wahnsinn getrieben hat.

Und der Reiseleiter kann immer noch nicht schlafen, auch wenn er die Augen geschlossen hat, weil in ihm immer noch dieses Licht ist. Und die südfranzösische Wärme, die dieses Mal so intensiv war, dass mancher, der vielleicht einmal mit dem Gedanken gespielt hatte, nach Südfrankreich auszuwandern, über diesen Plan noch einmal nachdenkt.

Das Licht hatten wir auch in Roussillon, dem Ort Roussillon im Vaucluse. Der Ort hat in seinen Gelb-, Ocker- und Rottönen geradezu gestrahlt, dazu als Kontrast das satte Grün der Vegetation, noch nicht vertrocknet, noch nicht herbstlich braun, eine Eruption der Farben.

In Roussillon habe ich den Gästen Unfug erzählt – teilweise jedenfalls. „Wenn Sie dann demnächst ins Theater gehen und es kommt ‚Warten auf Godot‘, und wenn dann Wladimir sagt: ‚Wir waren aber zusammen im Vaucluse. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer. Wir haben bei der Weinlese mitgemacht. Bei einem … wie hieß er noch … Bonnelly in Roussillon. Da leuchtet doch alles so rot!‘, dann können Sie innerlich rufen: ‚Ja, und ich war auch da und es leuchtet tatsächlich.‘“

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Das stimmt soweit auch alles, Beckett selbst war einige Zeit in Roussillon und der Ort hat eine wichtige Rolle für die französischen Juden gespielt, die im zweiten Weltkrieg versucht haben, sich zu verstecken oder das Land zu verlassen – nur dass in der deutschen Fassung, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Vaucluse das Breisgau wird und aus Roussillon Dürkweiler.

Gut, das kann ich beim nächsten Mal dann richtigstellen. Mit anderen Gästen. Ist nicht mehr lange hin, Ende August mache ich die Tour zum nächsten Mal. Aber vorher sollte ich meine Spotify-Liste für Norwegen und Finnland ausbauen, diese Länder stehen bei der nächsten Reise auf dem Programm. Und die Tour wollte ich ohnehin vorher schon einmal auf Google earth abfahren, damit ich die Fakten und Anekdoten in eine sinnvolle Reihenfolge bringen kann.

Aber heute nicht mehr, morgen, seufze ich, es ist Mitternacht und inzwischen bin ich wirklich richtig müde. So müde, dass ich tatsächlich schlafen könnte. Aber ich denke auch daran, dass ich noch ein paar Fakten nachschlagen muss, zu Trondheim beispielsweise oder zur finnischen Sauna.

Nach der Reise ist ein Teil des Reiseleiters schon auf der nächsten Tour.

Aber zuvor geht es in den Urlaub. Ganz privat, nur mit der Familie. Ein kleines Dorf im Süden von Kreta. Um dort hinzugelangen muss man im Dorf vorher eine kleine kurvige Straße hinunter – so eng, dass garantiert keine Reisebusse hindurchpassen.

16-013: Nach der Fahrt